Mittwoch, 14. November 2012

Zur Absetzung des Club 2

Der ORF hat sich dazu entschlossen, den Club 2 (ORF 2) wenige Jahre nach seiner Wiederbelebung abzusetzen. Was lief falsch bei der Neuauflage des legendären Diskussionsformats?

Die Neuauflage nimmt auf den alten Club 2 auf ihrer Homepage wie folgt Bezug:
"Natürlich fühlt sich der "neue" CLUB 2 dem "alten" verpflichtet. Der legendäre und über die Grenzen Österreichs hinaus beliebte CLUB 2 spielte in den 70er und 80er Jahren eine Pionier-Rolle: als erste Sendung dieser Art im deutschen Sprachraum wurde der Club "live" (also unzensierbar) ausgestrahlt und open end - also mit der Garantie der Gäste, ausreden zu können. Beides haben wir als Voraussetzungen für "das Freie Wort" auch im neuen CLUB 2 beibehalten. Und das „freie Denken“? In Zeiten des Internets, des Kabel-, Satelliten- und Handy-TV möchte man meinen, dass zumindest in unseren zivilisatorischen Breitengraden das Denken freier denn je sein müsste. Aber wer findet sich im Wust der auf uns niederprasselnden Informationsflut noch zurecht? Wer wählt die Infos aus? Wer analysiert und gibt Einschätzungen, Orientierungshilfe?"[1]
Auch wenn ich Kategorien wie "zivilisatorische Breitengrade" eher kritisch sehe, kann ich dem Sendekonzept sehr viel abgewinnen. Die Kritik an der Einladungspolitik des Club 2 und einzelnen Sendungen war deshalb eine solidarische, von der ich mir - zumindest anfänglich - erhofft habe, die Redaktion würde sie aufnehmen. Leider kam es anders. Meine Kritik (und die vieler anderer Menschen, die sich dazu äußerten) an der praktischen Umsetzung des Sendekonzepts wurde fast immer als Angriff interpretiert. Tiefpunkt dieses Konflikts war die Blockierung mehrerer linker Accounts auf Twitter, die den betroffenen Personen eine direkte Kommunikation mit der Club 2 Redaktion verunmöglichte.

Nachdem ich entdeckte, dass ich geblockt wurde, habe ich versucht einen Dialog mit der Redaktion via E-Mail zu führen. Das hier dokumentierte Mail wurde am 6. September 2012 abgeschickt:
"Liebe Club 2 Redaktion,
vor einigen Tagen bin ich durch Zufall draufgekommen, dass ihr euren Account auf Twitter für mich gesperrt habt. Mich würde sehr interessieren, was der Grund dafür ist.
Mir ist klar, dass ich euch in der Vergangenheit immer wieder kritisiert habe und den Club 2 auch auf Twitter tendenziell kritisch begleite. Das mache ich aber auch bei vielen anderen TV-Formaten, was noch in keinem mir bekannten Fall dazu geführt hat, dass ich geblockt wurde.[2]
Ihr beschreibt euch selbst auf eurem Twitter-Account als "Arena für das freie Wort und freies Denken". Warum sperrt ihr dann UserInnen, die sich kritisch zu eurer Sendung äußern?
Ich würde mir diesbezüglich eine Stellungnahme wünschen!"
Dieses Mail blieb - wie einige weitere - unbeantwortet. Eine ähnliche Anfrage hat @porrporr an die Redaktion des Club 2 geschickt, nachdem er seinerseits festgestellt hat, dass er geblockt wird. Siehe: "Dear Club2 Redaktion, dear “öffentlich-rechtliches” Fernsehen..."

Nur aus der Perspektive geblockter UserInnen erschien der Club 2 Account -  bis vor Kurzem - als "geschützt".

Diese Art mit emanzipatorischer Kritik umzugehen, ist durchaus symptomatisch für die mediale Wirklichkeit in Österreich. Auf einer Meta-Ebene scheint sich hier in mehrfacher Hinsicht ein allzu bekanntes Muster zu wiederholen. Kritik von politisch links[3] stehenden ZuschauerInnen wird abgeblockt, rechte bis rechtsextreme Positionen der österreichischen Eliten jedoch in hohem Maße integriert.

Versucht man die Club 2 Redaktion und die ModeratorInnen politisch zu verorten, würde man sich einen anderen Umgang mit emanzipatorischer Kritik erwarten. Corinna Milborn, Eva Rossmann und Werner Reisinger sind nur drei Beispiele für Menschen, die aus unterschiedlichen Feldern des linken politischen Aktivismus[4] kommen und in der Medien bzw. - im Fall von Rossmann - in der Literaturbranche Karriere gemacht haben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Meine Kritik zielt nicht darauf ab, dass Linke sich für den Gang durch die Institutionen entscheiden, Karrieren machen, (hoffentlich) gut davon Leben können und (im Idealfall) besseren, differenzierteren und kritischeren Journalismus betreiben, als das in Österreich normalerweise der Fall ist. Problematisch wird es dann, wenn Menschen glauben ihre gesellschaftliche Verantwortung mit dem Eintritt in eine Redaktion über Bord werfen zu können. Klar, der Druck ist groß - sowohl auf die Club 2 Redaktion als auch auf andere Linke in österreichischen Fernseh- und Zeitungsredaktionen. Wichtig wäre jedoch, sich diesem Druck nicht zu Beugen.

Was ist Ausgewogenheit?

Die Redaktion der Club 2 Neuauflage scheint jedoch in einem fast schon paranoiden Ausmaß von der Angst umgetrieben zu sein, jemand könnte dahinter kommen, dass einige Redaktionsmitglieder und ModeratorInnen in linken Kontexten politisch aktiv waren[5] und dem Club 2 dahingehend Parteilichkeit vorwerfen. Deshalb hat man quasi im vorauseilenden Gehorsam eine Einladungspolitik verfolgt, die weit nach rechts offen ist und rassistische, sexistische und antisemitische Äußerungen im Studio in Kauf nimmt. Der Club 2 lud Personen ein und bot Positionen ein Podium, die selbst in bürgerlich-konservativen deutschen Talkshows nicht geduldet werden würden.


Kritik an dieser Einladungspolitik wurde wiederholt damit abgewürgt, die KritikerInnen hätten keine Ahnung, was Journalismus sei, es ginge um Ausgewogenheit und man dürfe niemanden ausschließen. Eine Vorstellung von Ausgewogenheit, die ziemlich verkürzt ist und primär dann in Stellung gebracht wurde, wenn wieder einmal Kritik an rassistischen, antisemitischen oder sexistischen Positionen von Club 2 Gästen laut wurde. Abgeblockt wurde die Kritik auch dann, wenn sie ihrerseits mangelnde Ausgewogenheit im Club 2 kritisierte. Etwa was das Geschlechterverhältnis oder die kaum vorhandene Repräsentation migrantischer Positionen in der Sendung betrifft. Die Umsetzung von "Ausgewogenheit" war hochgradig inkonsequent und folgte einem Top-Down-Prinzip: Eingeladen wurde, wer der Redaktion Probleme machen könnte. Das waren tendenziell ältere, wohlhabendere, politisch zum Teil weit rechts stehende Herren. Das machte das Diskussionsklima zumeist unerträglich und minimierte den Erkenntnisgewinn für das Publikum.

Kurioserweise wurden ausgerechnet durch eine tendenziell linke Redaktion genau jene Kreise, die nicht Müde werden den ORF als öffentlich-rechtlichen Sender anzufeinden, politisch zu diffamieren oder gar gänzlich in Frage zu stellen quasi regelmäßiger Bestandteil einer der wichtigsten Diskussionssendungen des Senders. Besser wäre es gewesen, den subitl-manipulativen Anfeindungen rechtskonservativer bis rechtsextremer Kreise gegen den ORF und bestimmte Redaktionen, nicht mit vorauseilender Integration zu begegnen. Dann wäre es vielen Menschen, u.a. auch mir, wohl leichter gefallen, eine Fortsetzung des Club 2 zu fordern.

Ohnehin gibt es kaum etwas irrationaleres als den ORF unisono als linkslinken "Rotfunk" zu diffamieren, wie rechte Kreise das gerne tun. Alexander Wrabetz ist zwar SPÖ-Mitglied, doch ist er alles andere als ein linker Sozialdemokrat. Das gleiche gilt für Gerhard Zeiler, der mittlerweile ziemlich viele Fans bei FPÖ und ÖVP hat und von diesen Kreisen und ihren publizistischen Kettenhunden zeitweise als Wrabetz-Alternative gehandelt wurde[6]. Gerd Bacher, der insgesamt fast 20 Jahre lang und damit so lange wie niemand anderer den ORF leitete, war erst in der Hitlerjugend und später Mitglied der NSDAP (was die deutschsprachige Wikipedia übrigens unterschlägt). Es gibt wohl kaum eine Person, die die Entwicklung des ORF so sehr mitgeprägt hat wie Bacher. Auch rechts/-konservative Inseln im ORF, sowohl im Informations- als auch im Unterhaltungsbereich, gibt es zur Genüge. Defacto regieren Institutionen wie die römisch-katholische Kirche stark in den ORF hinein, was sich nicht nur an einschlägigen Feiertagen im TV-Programm niederschlägt (siehe auch "Religion und ORF" sowie "ORF: Unausgewogen, zumindest hinsichtlich Religion"). Kritik daran gibt es kaum. Nichts läge diesen Redaktionen ferner, als aus Angst davor, jemand könnte sie kritisieren, emanzipatorischen Inhalten in dem Ausmaß eine Plattform zu bieten, wie es der Club 2 mit rechtsextremen Positionen getan hat.

Ein trauriges Ende

So wie es derzeit aussieht, ist das Ende der Club 2 Neuauflage definitiv gekommen. Die Sendung soll abgesetzt und von einem anderen Format abgelöst werden. Es ist schade, dass die Redaktion aus einem an sich guten Sendekonzept so wenig gemacht hat. Die meisten Runden waren männerdominiert, sowohl qualitativ als auch quantitativ.

Statt Menschen eine Stimme zu geben, deren Positionen im Fernsehen und in der Gesellschaft marginalisiert sind, entschied man sich die Liessmanns, Hermans und sonstwie-Manns, die in der Vergangenheit ohnehin schon öfter als es erträglich ist, ihre Stehsätze aufsagen durften, ein weiteres Mal ins Fernsehen zu bitten. Statt Rassismus- oder AntisemitismusforscherInnen einzuladen, diskutierte man lieber mit RassistInnen und AntisemitInnen. Statt Kritik von Menschen wie mir, die den von der Club 2 Redaktion formulierten Anspruch durchaus teilen, nämlich Personen, "die nicht zum 'mainstream' gehören, die nicht vorgefertigte Meinungen, sondern originelle, (...) kritische Positionen vertreten" eine Plattform zu bieten, anzunehmen, wurde sie abgeblockt und jegliche Kommunikation verweigert. Bleibt zu hoffen, dass ein allfälliges Nachfolgeformat (oder vielleicht sogar eine Wiederauferstehung des Club 2 in einigen Jahren) die Fehler der aktuellen Redaktion nicht wiederholt und tatsächlich eine Alternative zum traurigen Zustand so gut wie aller deutschsprachigen Diskussionssendungen darstellt.

Quellen und Anmerkung:
[1] Vgl. "CLUB 2 Arena für das freie Wort und das freie Denken".
[2] Kurze Zeit später habe ich entdeckt, dass ich auch vom Twitter-Account der Diskussionssendung Im Zentrum (ORF 2) geblockt werde. Insofern war diese Behauptung falsch.
[3] Das ist nicht in einem parteipolitischen Sinn zu verstehen. Ich sympathisiere mit keiner österreichischen Partei und bin schon gar nicht Mitglied einer solchen.
[4] Das ist ebenfalls nicht in einem - für den ORF sonst so typischen - parteipolitischen Sinn zu verstehen, sondern bezieht sich auf antirassistisches oder feministisches Engagement sowie Aktivismus im Bereich Bildungs- bzw. Universitätspolitik. Betonen möchte ich zudem, dass die hier genannten ModeratorInnen lediglich bei Sendungen, die sie selbst moderieren, Einflussmöglichkeiten auf die Einladungspolitik haben und auch Werner Reisinger nicht alleine für die Einladungspolitik verantwortlich zu machen ist (auch wenn er diese regelmäßig öffentlich verteidigt). Lediglich die Twitter-Blockaden durften im Großen und Ganzen auf die Kappe von Reisinger gehen.
[5] Dazu reicht eine Google-Suche.
[6] Vgl. u.a. "ORF-Wahl: Kandidatur von Zeiler immer konkreter", Die Presse, 11. Mai 2011.


2 Kommentare:

  1. Danke, das kann ich nur unterschreiben!

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  2. Nach diesem bescheuerten "Das große Tabu: Darf man Juden kritisieren?" Club 2 von heute bin ich froh, dass die Sendung bald abgesetzt wird. Für mehr intelligente TV Formate und - unabhängig davon - für weniger pathische Projektion in der österreichischen Debatte über Israel.

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