Donnerstag, 26. September 2013

Paris Hilton ist cooler als Jesus

Das Reality TV Format Die strengsten Eltern der Welt (Sat.1) propagiert autoritäre Erziehung und Gewalt gegen Minderjährige.

Vorausgeschickt sei, dass wie bei den meisten Reality-Formaten auch hier vieles gescripted sein dürfte. Zu schlecht geschauspielert sind weite Teile der Sendung und zu oft befindet sich die Kamera an Orten, an denen sie, logisch betrachtet, gar nicht sein könnte.

In diesem Text soll aber nicht die "Echt oder Fake" Frage im Vordergrund stehen, sondern der ideologische Subtext des Formats. Das Narrativ der einzelnen Folgen ist eigentlich immer das Gleiche: Jugendliche, die gerne Trinken, nicht arbeiten und nur sporadisch zur Schule gehen - sprich: Das Leben Genießen und sich dem allgegenwärtigen Leistungsdruck widersetzen -, werden von Eltern und Fernsehen zu Problemfällen erklärt.

Abhilfe schaffen sollen die vermeintlich strengsten Eltern der Welt, die zufälligerweise fast immer in ehemaligen europäischen Kolonien leben. Jene Ausformungen autoritärer Pädagogik, die bis vor einigen Jahren auch in Europa gesetzlich legitimierter Alltag waren, werden von Sat.1 als ursprünglich [beliebige Ex-Kolonie einsetzen]isch gepriesen. Der unter einem antirassistischen Deckmantel geforderte Respekt für die örtliche "Kultur" ist einer für die Hinterlassenschaften des Kolonialismus - etwa in Form von Rohrstab, Schuluniform und lustfeindlichem Christentum, das Rausch, Make-up und Sexualität zu seinen FeindInnen erklärt.

Eine 17jährige, die Paris Hiltons Lebensstil besser findet als den von Jesus Christus (und damit wahrscheinlich richtig liegt), versucht vergleichsweise lange, sich trotz Gewaltandrohungen und Repressalien, die Freiheitsentzug und Untersagung von WC-Benutzung miteinschließen, treu zu bleiben. Am Ende spricht sie das Tischgebet, unterwirft sich den Gasteltern, reflektiert ihre Privilegien (ja, dieser Begriff macht nun auch im Reality TV Karriere) und entschuldigt sich schließlich bei ihrer Mutter.

Gewalt und Repression als Säulen der Erziehung und das Prinzip "Hände falten, Goschn halten" (in Deutschland würde man wohl "Hände falten, Fresse halten" sagen) werden in Die strengsten Eltern der Welt zur Erfolgsgeschichte verklärt. Der Umstand, dass dies unter dem Vorwand der Privilegienreflektion passiert, macht es nicht besser.

Dieser Artikel bezieht sich primär auf die am 18. September 2013 wiederholte Folge, die bereits im Jahr 2012 ausgestrahlt wurde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen