Donnerstag, 20. März 2014

Kulturindustrieller Standortnationalismus gegen "weitere 1.500 Arbeitslose"

Statt über inhaltliche Qualitätskriterien und faire Produktionsbedingungen diskutieren österreichische Film- und Fernsehschaffende über nationale Quoten und beklagen die Kosten von Arbeitslosigkeit.

Gut gemeinte Initiativen von Kulturschaffenden machen es ihren potentiellen Unterstützer_innen nicht immer leicht. Zu "Rettet das Funkhaus" habe ich kürzlich hier Stellung genommen. Kaum weniger problematisch ist die Initiative "FilmFernsehFreunde", die sich, um für ihre Anliegen zu werben, folgenden Slogan ausgesucht hat:
"Wollen SIE für weitere 1.500 ARBEITSLOSE aufkommen und dafür ein DRITTEL weniger heimisches Programm bekommen?" (Hervorhebungen im Original)
Um die Frage direkt zu beantworten: Ich möchte lieber für 1.500 Arbeitslose aufkommen, als für ein Fernsehprogramm, gestaltet von Menschen, die Qualität mit Nationalismus verwechseln. Ein Drittel weniger heimisches Programm klingt in Anbetracht dessen vielversprechend. Dass die "FilmFernsehFreunde" sprachlich ohne Freundinnen auskommen, lässt auf den Zukauf von Produktionen aus Ländern hoffen, in denen Geschlechterverhältnisse im Fernsehen kritischer thematisiert werden, als dies hierzulande der Fall ist.

Problematisch ist auch das Quotenargument:
"Heimisches Programm hat zwei- bis dreimal mehr Quote als zum Beispiel zugekaufte amerikanische Serien."
Sieht man von vereinzelten Ausreißern ab, sind die heimischen Quotenbringer alles andere als Qualitätsbringer. Die Argumentation spräche letztlich für mehr Musikantenstadl, Skirennen, Villacher Fasching und ähnlichem - allerdings nur eingeschränkt für jene Produktionen, mit denen einige prominente ErstunterstützerInnen der Kampagne ihr Geld verdienen.

Außerdem sind amerikanische Serien an sich wirklich nicht das größte qualitative Problem des ORF. Zu diskutieren wäre vielmehr, WELCHE amerikanischen Serien und warum genau DIESE amerikanischen Serien eingekauft werden. So wie das Argument von der Initiative vorgebracht wird, stellt es primär einen Versuch dar, an herrschende antiamerikanische Ressentiments anzudocken. Das bringt vielleicht die eine oder andere Unterschrift - gewonnen wäre damit, insbesondere in qualitativer Hinsicht, aber nichts.

Fairerweise dazugesagt sei, dass das Musikantenstadl-Argument etwas weiter unten im Text durch eine Formulierung, die Fernsehshows und Sportübertragungen ausnimmt, entkräftet wird. Im Originalwortlaut klingt das so:
"Deshalb fordern wir, dass im Rundfunkgesetz festgehalten wird, dass der ORF verpflichtend mindestens 20% seiner Gebühreneinnahmen für die Vergabe von Produktionen von Spielfilmen, Dokumentationen und Fernsehserien in Österreich verwendet."
Zwar ist damit immer noch nichts über die inhaltliche Qualität der Spielfilme, Dokumentationen und Fernsehserien gesagt. Zumindest das eigentliche Ziel - die Einführung einer nationalen Quote im Sinne einer Art von "Nationalist Budgeting" - wird aber benannt.

Für andere Quoten!

Interessanter und unterstützenswerter wäre - gerade für Menschen, denen öffentlich-rechtliches Qualitätsfernsehen wichtig ist - die Einführung anderer Quoten. Immer noch liegt ein Großteil der Programmverantwortung in der Hand von Männern, ebenso wie die Entscheidungen über Budgetvergaben. Hier bestünde dringend Änderungsbedarf und eine Frauenquote könnte ein erster Schritt in eine bessere Zukunft sein. In einer nach wie vor patriarchal strukturierten Gesellschaft sind Frauen auch im Mediensektor viel stärker von Prekarisierung betroffen und von Armut bedroht, als ihre männlichen Kollegen. Im Text der "FilmFernsehFreunde" findet sich dazu nichts.

Des Weiteren argumentiert die Initiative mit der Arbeitslosigkeit, die Menschen aus der Film- und Fernsehbranche drohe. So löblich es ist, die sozialen Verhältnisse jener, die an der Erzeugung von Kulturwaren beteiligt sind, kritisch zu thematisieren, so problematisch ist die konkrete Art der Thematisierung:
"Und der Steuerzahler übernimmt Sozialkosten und Steuerausfall für die 1.500 arbeitslosen Menschen in der Höhe von mehr als 25 Millionen Euro. Das ist fast soviel, wie die Summe, die die Politik dem ORF gerade verweigert."
Arbeitslose, die auf Kosten der Steuerzahler_innen leben, werden hier implizit zu einem Negativbeispiel in einer Logik, die - ein Stück weitergedacht - der des Boulevards nicht unähnlich ist. Dabei wäre doch viel eher zu kritisieren, wie Arbeitslose in Österreich von den zuständigen Behörden behandelt werden (Zwangsmaßnahmen, bürokratische Schikanen, Einschränkung der Bewegungsfreiheit u.v.m.), anstatt den Kostenfaktor ins Zentrum zu stellen und Kulturförderung gegen ein - ohnehin zunehmend löchriges - Sozialsystem auszuspielen. Skandalös ist, wie wenig Geld Mindestsicherungsbezieher_innen - egal ob Künstler_innen oder nicht - zu Verfügung haben und dass bei der Umverteilung von Oben nach Unten offenbar etwas gewaltig schief läuft.

Stillhalten vor der Wahl?
"Vor den Wahlen hieß es von SPÖ und ÖVP, bitte Stillhalten, wir werden uns nachher darum kümmern."
Stillhalten ist immer ein Fehler. Vor-, nach- und eigentlich gänzlich unabhängig von Wahlen. Ein noch größerer Fehler ist es, partikulare Interessenvertretung mit nationalistischen und arbeitsfetischistischen Untertönen zu betreiben und damit potentielle Unterstützer_innen abzuschrecken. Obwohl Kritik an der Unterfinanzierung von Kunst und Kultur berechtigt ist, wäre die Frage zu stellen, ob dafür nur die (staatlichen) Geldgeber_innen verantwortlich zu machen sind.

Wäre es nicht an den Film- und Fernsehmacher_innen dem ständigen Einzelkämpfer_innentum ein Ende zu setzen? Sich solidarisch mit anderen gegen die allgegenwärtige Prekarisierung zu organisieren, anstatt ein schlecht finanziertes Projekt nach dem anderen zu schupfen? Und wäre es nicht an der Zeit zu streiken, anstatt weiterhin Kultur- und Medienwaren zu finanziellen Konditionen, von denen in Wirklichkeit kaum jemand dauerhaft leben kann, zu liefern?

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